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This paper reflects, from a cross-cultural perspective, on the implications of biotechnology on moral values. Today, biotechnology, an aspect of Western industrialized culture, is capable of manipulating or modifying the genes of living organisms. This raises many ethical problems, some relating to biodiversity and the environment in general. Bioethics owes its own development to awareness of the seriousness and magnitude of these ethical problems which cannot leave any culture indifferent, no matter its own level of technological development. Africa, for instance, which presents remarkable biodiversity, against the background of which human values and attitudes different from those of the Western world have developed, cannot be indifferent to the problems raised by biotechnology. It is possible for global bioethics to emerge, provided globalization does not simply translate into Westernization. |
Inhalt |
Einleitung |
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Der Beitrag erschien zuerst in:![]() Nr. 13 (2005) zum Thema: Biotechnologie in interkultureller Perspektive |
1 | Die Molekularbiologie hat in unserem Zeitalter dank der vergleichbar großen Fortschritte in der Biotechnologie, insbesondere in der Gentechnik, vor allem im Bereich der Humangenetik, große Fortschritte gemacht. Die Entwicklungen, die diese möglich gemacht haben, bergen sowohl Chancen als auch große Gefahren für die menschliche Kultur im Besonderen und die biologische Welt im Allgemeinen. Die Chancen liegen auf dem Gebiet der menschlichen Gesundheit und in der Landwirtschaft, wo die Aussicht, Hungersnöte und genetisch bedingte Krankheiten zu verhindern, in den Bereich des für den Menschen Möglichen gerückt sind. Die negativen Möglichkeiten bergen das Risiko, durch Zufall oder auch anders, eine biologische oder menschliche Katastrophe auszulösen, und die Gefahr, die weltweite Ungleichheit zu vergrößern, was zu einer Zunahme des Umfangs menschlichen Leidens in der Welt insgesamt führen würde. Kurz gesagt hat die moderne Technologie Möglichkeiten und Mittel geschaffen, mit denen die Menschheit ihr Wohlergehen verbessern oder auch alles Leben auf der Erde zerstören könnte. Diese Situation verlangt nach einer weder zu enthusiastischen und zuversichtlichen noch zu sehr von Panik und Feindlichkeit geprägten Position zur Biotechnologie. Es geht vielmehr darum, vorsichtig, rational und kontrolliert Position zu beziehen. | ||
2 | Es kann keine menschliche Gesellschaft ohne irgendeine Form der Technik und der Moral geben, wie rudimentär diese auch sein mag. Die moderne Technik – so wie wir sie heute kennen – ist das Ergebnis der Naturwissenschaften und des wissenschaftlichen Geistes, die zur Zeit der europäischen industriellen Revolution im 18. und frühen 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten. Die Biotechnologie, in der die Bausteine oder der Basisstoff aller lebendigen Organismen – die Gene – manipuliert und modifiziert werden, ist ein Ergebnis der Fortschritte in der Molekularbiologie und in den Ingenieurswissenschaften. Die Biotechnologie und insbesondere die Gentechnik sowie verwandte Prozesse stellen uns vor ernsthafte ethische Probleme, angesichts derer keine Kultur gleichgültig bleiben kann – unabhängig von ihrem eigenen Entwicklungsstand. Dass etwas technologisch möglich ist, stellt keine Rechtfertigung dafür dar, es zu tun oder zu veranlassen. Ethische Fragen und Probleme sind unabhängig von dem Bereich, in dem sie sich stellen, niemals nur technische Probleme, sondern erfordern normale menschliche Vernunft und moralische Sensibilität. Daher kann jedes menschliche Wesen oder jede menschliche Kultur gleichermaßen gültige ethische Urteil, zur Biotechnologie und den verwandten Prozessen äußern – auch wenn diese ihre Herkunft im Westen haben und scheinbar ein Geschenk der westlichen Kultur an die globale Kultur darstellen. | |||
Westliche Kultur und die industrielle Revolution |
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Wissenschaft und Technik führten zu dem Bestreben, die entsprechenden Ideen, Visionen, Überzeugungen und Praktiken unter dem Deckmantel universaler Anforderungen an Rationalität und Moral, die für alle bindend sein sollten, zu verbreiten. | 3 | Die industrielle Revolution gewann ihre Kraft aus dem Leitgedanken »Wissen ist Macht« und dass dieses Wissen in kommerzielle Werte konvertierbar ist; aus der Idee, dass Wissen ohne Unterschied gut ist; aus dem Glauben, dass die Natur im Prinzip vollständig erkannt und kontrolliert werden kann und aus der Wahrnehmung, dass das Universum etwas ist, das erforscht, unterworfen, beherrscht und ausgebeutet werden kann. Diese Weltsicht hat ihre Wurzeln zwar im jüdisch-christlichen Denken, führte jedoch zu einer Säkularisierung, Desakralisierung und Profanisierung aller Dinge im Universum – zu einer Position, die ironischerweise in Opposition zur jüdisch-christlichen Ethik und Ideologie steht. Seit der industriellen Revolution ist die westliche Technik durch Kommerzialisierung und Profitinteresse, durch Kriege und Herrschaftswillen, durch reine wissenschaftliche Neugierde und in einem geringeren Maße auch durch das Bedürfnis, das menschliche Sein zu verbessern, zu großen Leistungen vorangetrieben worden. | ||
4 | Die industrielle Revolution und die Technologien, die ihr entsprangen, halfen den westlichen imperialen Nationen bei ihren Forschungsreisen und den Entdeckungen sowie der Unterwerfung, Kolonisierung, Beherrschung und Ausbeutung anderer Völker. Einer der Folgeeffekte dieser so wichtigen Errungenschaften bestand darin, dass die westliche Kultur von einem Geist der Entdeckungslust, einem automatischen Impuls, alle Entdeckungen zu vereinheitlichen, zu patentieren, zu monopolisieren und zu kommerzialisieren, geprägt wurde. Ferner führten Wissenschaft und Technik zu dem Bestreben, die entsprechenden Ideen, Visionen, Überzeugungen und Praktiken unter dem Deckmantel universaler Anforderungen an Rationalität und Moral, die für alle bindend sein sollten, zu verbreiten. Heute steht die westliche Kultur ganz ohne Zweifel für die gesamte Weltkultur. Insbesondere im Bereich von Wissenschaft und Technik wird die westliche Kultur als Meister anerkannt, zu dessen Füßen die anderen Kulturen als Schüler und Lehrlinge sitzen. Wissenschaft und Technik haben für sich selbst betrachtet zunächst nichts mit moralischer Sensibilität und mit anderen Einstellungen zu tun, Einstellungen zu der Frage, wie Menschen Gott denken und anbeten, wie sie heiraten und Kinder großziehen, wie sie ihre sozialen Systeme organisieren und wie sie sich auf die Natur beziehen oder ihre Kultur mit der Natur harmonisieren oder zu welchem Nutzen sie Technik einsetzen möchten. | |||
Biodiversität |
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5 | Die biologische Vielfalt der Welt, die der kulturellen Vielfalt sehr ähnlich ist, stellt ein Fakt der Evolution dar, das wir zu akzeptieren, zu verstehen und zu erklären versuchen. Darwins Evolutionstheorie mit den Schlüsselbegriffen »natürliche Selektion« und »Überleben des Stärkeren« geht einen weiten Weg, um Biodiversität als eine wissenschaftliche Tatsache in einem Ursache-Folge-Schema zu beschreiben. Aber biologische Vielfalt kann nicht vollständig erklärt werden – jeder Versuch, dies zu leisten, kommt über sterile metaphysische Spekulation nicht hinaus. | |||
6 | Unter den Kontinenten dieser Welt entfaltet gerade der afrikanische eine bemerkenswerte ökologische, biologische, kulturelle und andere Vielfalt. Die afrikanischen sozialen Systeme, die ethischen Konzepte und metaphysischen Ideen zeichnen sich durch diese Diversität aus. Der afrikanische Blick auf die Welt kann als öko-bio-kommunitaristisch beschrieben werden. Die hier vertretene Interdependenz und friedliche Koexistenz zwischen Erde, Pflanzen, Tieren und Menschen steht im Gegensatz zum westlichen Blick, der als anthropozentrisch (oder androzentrisch) und individualistisch beschrieben werden kann. In der afrikanischen Vorstellung sind – wie auch in anderen nicht-westlichen Vorstellungen – die Menschen weniger risikobereit, einer ausbeuterischen Haltung weniger nah, eher bescheiden und vorsichtig, misstrauisch und unsicher gegenüber ihrem eigenen Wissen und ihren Fähigkeiten; anderen Menschen, Pflanzen, Tieren, unbelebten Dingen und unsichtbaren Kräften gegenüber versöhnter und respektvoll; eher ängstlich, sich mit der Natur anzulegen und eher einer Haltung gegenüber offen, die durch »leben und leben lassen, sein und sein lassen« geprägt ist. | |||
Mae-Wan Ho et al.: »Gene Technology and Gene Ecology of Infectious Diseases«. In: Microbial Ecology in Health and Disease 10 (1998), 33-59. ![]() |
7 | Ein stärkeres Bewusstsein der Bedeutung der Biodiversität muss zu einem Bewusstsein gegenüber den Problemen führen, die im Zusammenhang mit der Bewahrung und Nutzung der Biodiversität der gesamten Welt stehen, welche nur in einer globalen Perspektive angegangen werden können. Ein konkreter Bestandteil der Globalisierung ist die »Konvention über Biodiversität«. Deren Ziel ist Fairness und Gleichheit bei der weltweiten Teilhabe am Nutzen aus den genetischen Ressourcen und dem »Human Genome Project«, dessen Ziel die vollständige Entschlüsselung der menschliche DNS ist. Angesichts dessen, dass der Westen in diesen Projekten und Prozessen sowie ihrer Nutzung und deren Folgewirkungen eine Monopolstellung innehat, besteht jedoch die Gefahr, dass die Globalisierung zu einer »Verwestlichung« führt. | ||
8 | Die der Technologie im Allgemeinen und der Biotechnologie im Besonderen innewohnenden Gefahren machen die Beachtung der Bio-Sicherheit zu einer notwendigen Voraussetzung für Globalisierungsprozesse und Globalisierungsprojekte. Während wir auf den positiven Nutzen der Gentechnologie noch warten, sind negative Folgen in einigen Berichten bereits deutlich geworden. Horizontaler Gentransfer gilt als Ursache für die Zunahme von Virenerkrankungen und der Verbreitung von Resistenzen gegenüber bestimmten Medikamenten und Antibiotika. Wie die britische Biochemikerin Mae-Wan Ho und ihre Kollegen ausführlich gezeigt haben, haben viele Pathogene aufgrund der Gentechnik die Grenzen von bestimmten Arten überschritten, sind mutiert, haben sich mit Genen nichtverwandter Arten verbunden und damit zur Entstehung von Virenerkrankungen und Antibiotikaresistenzen beigetragen. Dieser horizontale Gentransfer fällt mit der Entwicklung in der Gentechnologie zusammen, die horizontalen Gentransfer und Rekombination auf einer kommerziellen Ebene ermöglicht. | |||
9 | Es fällt sehr schwer, den Gedanken abzuweisen, dass die Welt auf eine Gesundheitskrise hinsteuert, wenn wir bedenken, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten neue Krankheiten wie Aids, Ebola, und neue Varianten der Hepatitis entstanden sind und dass andere Krankheiten wie Tuberkulose, Cholera, Diphtherie, Malaria etc. wieder auftreten bzw. verstärkt zu finden sind. Die Theorie, dass das HIV-Virus von Biotechnologen als ein experimentelles Produkt auf dem Weg zur biologischen Bombe geschaffen wurde, kursiert noch in einigen Kreisen und ist weder belegt noch widerlegt worden. | |||
Verwestlichung oder Globalisierung? |
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Biotechnologie ist unausweichlich für die Völker der heutigen Welt. Aber es ist nicht zu leugnen, dass es Gefahren des Missbrauchs oder Unfallgefahren gibt. | 10 | Aus diesen Ausführungen folgen einige sozioökonomische und ethische Punkte, die ich später schematisch aufführen möchte. Vorher müssen jedoch einige allgemeine Bemerkungen gemacht werden. Während die Bemühungen auf globaler Ebene in Richtung Biodiversität und Biotechnologie auf der konzeptuellen oder intentionalen Ebene, zumindest soweit sie auf dem Papier stehen, zunächst einmal zu begrüßen sind, besteht auf der praktischen Seite die reale Gefahr, dass die Globalisierung aus ziemlich offensichtlichen Gründen zu einer Verwestlichung wird. Sie stellt eine Bedrohung für eine Welt dar, in der unterschiedliche kulturelle Gruppen existieren, deren materielle Situation, Technologieniveau, Machtpositionen, Ideen, Erfahrungen und Ansichten sich erheblich unterscheiden und die darüber hinaus in den Organen, in denen globalisierungs- und technologierelevante Entscheidungen getroffen werden, unterrepräsentiert sind. Ein Anzeichen dafür ist die Tatsache, dass die globale Ebene heute stark von Anklagen wegen Biopiraterie, Raub von Bioressourcen, Biokolonialismus etc. geprägt ist. | ||
11 | Biotechnologie ist in einer Hinsicht unausweichlich für die Völker der heutigen Welt, niemand will leugnen, dass hier wertvolle Chancen im Bereich der Gesundheit, Landwirtschaft und Tierhaltung liegen, die Auswirkungen auf alle Völker der Erde haben werden. Aber es ist auch nicht zu leugnen, dass es Gefahren des Missbrauchs oder Unfallgefahren gibt und dass eine der möglichen Konsequenzen darin besteht, die Kluft, die die reichen von den armen Völkern, die die Besitzenden von den Nicht-Besitzenden trennt, durch diese Technologie noch zu vergrößern. Ist es daher nicht vernünftig zu verlangen, dass diese technologischen Innovationen so weit wie möglich auf die Länder beschränkt sein sollten, in denen sie entstanden sind, bis alle anderen die Sicherheit und Zuversicht haben, diese Technologien in ihren Gebieten anwenden zu können? | |||
Provisorische Checkliste für einen Konsens |
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Godfrey B. Tangwa: »Bioethics, Biothechnology and Culture: A Voice from the Margins«. In: Developing World Bioethics 4.2 (2004), 125-138. ![]() Henk J. Van Rinsum / Godfrey B. Tangwa: »Colony of Genes, Genes of the Colony: Diversity, Difference and Divide«. In: Third World Quarterly 25.6 (2004), 1031–1043. ![]() |
12 | 1. Natur ist vielleicht eine blinde Kraft, aber die Evolutionsgeschichte scheint uns zu zeigen, dass sie in sich selbst Mechanismen bereithält, die eigenen »Fehler« zu korrigieren. Menschliche Eingriffe in die Natur, insbesondere auf der Basis der Gene, sind besonders anfällig für Fehler und Störungen, und die Menschen haben noch keine Instrumente entwickelt, um mögliche Fehler systematisch zu korrigieren. Diese Sorge gilt insbesondere für den Bereich der Gentechnologie, wo Möglichkeiten wie das Klonen trotz aller wissenschaftlichen Begeisterung Gefahren einer katastrophalen Grenzüberschreitung in sich bergen. | ||
13 | 2. Wissenschaftliches Wissen ist von seiner Natur her lückenhaft und unvollständig, da es auf Beobachtung, Induktion und Erfahrung beruht, welche keine Garantie für den zukünftigen Status der Dinge geben. Es gibt keine Garantie dafür, dass unsere zukünftigen Erfahrungen den vergangenen oder aktuellen Erfahrungen gleichen werden. Wir wissen nicht, welche unvorhersehbaren Eigenschaften sich in genetisch veränderten Organismen oder lebenden Organismen oder transgenetischen Kreaturen, die die Biotechnologie heute hervorbringt, entfalten werden. Hier ist größte Vorsicht angesagt. | |||
14 | 3. Gentechnologie und Biotechnologie gefährden wie alle Technologien auch die Umwelt. Die Wiederkehr der Infektionskrankheiten stellt eine dieser Gefahren dar. Die Art und Weise in der eine verhältnismäßig einfache Technologie, nämlich die kommerzielle Herstellung von Plastik, die physische Umwelt vieler Länder dieser Welt negativ verändert hat – und zwar auch solcher ohne ein Jota Polymerchemie oder ohne Bedarf an Plastikprodukten –, ist ein Beispiel für alle Völker und Kulturen. In dieser Hinsicht sollte die Bewegung von transgenetischen Organismen über nationale Grenzen hinaus mit Sorge und Vorsicht behandelt werden. | |||
15 | 4. Gentechnik und Biotechnologie enthalten für sich selbst gesehen ein sehr wichtiges ökonomisches Entwicklungspotenzial in den Bereichen Viehzucht und landwirtschaftlicher Anbau, insbesondere bezüglich stark nachgefragter Güter. Diese Technologien könnten dazu beitragen, die sozioökonomischen Potenziale ärmerer Länder mit großen Flächen ungenutzten Landes zu entfalten und die Kluft zwischen den Entwicklungsländern und den entwickelten Ländern zu verringern. Aber dies hängt sehr stark von der Frage ab, wer hier die Initiative ergreift und von fairen Bedingungen, unter denen eine Zustimmung zum Transfer und zum Nutzen dieser Technologien verhandelt wird, sowie von einer generellen Bereitschaft, die Nutzung der Welt und all ihre Ressourcen nicht als ein Privileg der Reichen und Mächtigen zu betrachten, sondern als ein gemeinsames Erbe aller Weltbewohner. | |||
16 | 5. Es besteht die begründete Sorge, dass die technologisch stärker entwickelten Nationen sich das genetische Erbe und das gesammelte indigene Wissen der weniger entwickelten Länder einfach ohne Gegenleistung aneignen, dies patentieren lassen und es in einer Weise kommerzialisieren, die die Gesellschaften, aus denen die Ressourcen kommen, nicht teil haben lässt. Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit der üblich gewordenen Nutzung der Rohstoffe seit Erfindung des Nationalismus, Imperialismus, Kolonialismus und der so genannten freien Marktwirtschaft. (Wie viele Menschen aus einem Land, das Kakao anbaut, können sich beispielsweise eine fertige Tafel Schokolade aus dem Westen leisten?) | |||
Fazit |
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Es ist im Interesse der gesamten Menschheit, dass die westliche Kultur sich so wie andere Kulturen auch ein bisschen bewegt und den anderen Narrativen des Maskentanzes zuhört, damit die Globalisierung nicht zur einer Belehrung anderer Kulturen durch den Westen wird. | 17 | Menschliche Kulturen sind wie die Zuschauer bei einem Maskentanz. Kein einziger Zuschauer ist in der Lage, einen vollständigen und adäquaten Blick auf den Maskentanz zu erhalten – insbesondere nicht von einer statischen Position aus. Um einen Überblick über den Maskentanz zu erhalten, muss man ein wenig herumgehen, und von Zeit zu Zeit den Blickwinkel und die Perspektive verändern. Unter den Kulturen der Welt ist die westliche Welt dank der industriellen Revolution, des Abenteuergeistes, der Entdeckungsreisen, der Kolonisierung, der Monopole und des Bekehrungseifers der Besitzer der modernen Bio- und anderer Technologien der wirkliche »unbewegte Beweger«. Aus diesem Grund hat die westliche Kultur unter anderem einen starken Transzendentalismus und eine Unzugänglichkeit äußeren Einflüssen gegenüber entwickelt. Aber es ist im Interesse der gesamten Menschheit, dass die westliche Kultur sich so wie andere Kulturen auch ein bisschen bewegt und den anderen Narrativen des Maskentanzes zuhört, damit die Globalisierung nicht zur einer Belehrung anderer Kulturen durch den Westen wird. | ||
18 | In der Kolonialzeit haben die kolonisierten Völker den Katechismus und die Dogmen der Kolonialherren auswendig gelernt, und sie konnten sie genau hersagen und praktizieren: Sie wurden getauft, konfirmiert und für die Heilige Kommunion vorbereitet. In unserem postkolonialen, postmodernen und globalisierten Zeitalter sollten solche Methoden einen Aufschrei unseres Denkens und Handelns hervorrufen. Andere Kulturen müssen für sich selber stehen, ihre nicht-materiellen Wunden zählen und begreifen, dass künstliche materielle Besitztümer zwar ihr Leben verändern – aber nicht immer zum Guten hin. Sollte alles von der Initiative und der aktuellen Stoßrichtung der industrialisierten Welt abhängig bleiben, muss im Zeitalter der Gentechnik befürchtet werden, dass wir alle die wenig beineidenswerten Zeugen des Endes der menschlichen Kultur und Zivilisation werden. |
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