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Einleitung

Die Konsensethik von Kwasi Wiredu

Ein afrikanisches Modell


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  Interkulturelles Philosophieren besteht ganz wesentlich im philosophischen Polylog der Kulturen und Traditionen selbst. Aus diesem Grund wendet sich der Fokus dieser Nummer einer bestimmten Region der Erde zu, die auf der Landkarte der Philosophie bis heute vielfach nicht verzeichnet ist. So werden hier bisher kaum gehörte Stimmen in den Polylog einbezogen und in einem ersten Schritt für unser Denken fruchtbar gemacht.


»Das Projekt einer Konsensethik scheint viele fruchtbare Ansatzpunkte zu bieten, die es in einem interkulturellen Polylog weiterzudenken gilt, und zwar unter dem Gesichtspunkt einer universalgültigen Ethik ebenso wie unter dem Aspekt der Lösung regionaler Konflikte.«

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  Die Diskussion eines zeitgenössischen philosophischen Projekts aus Afrika zum Thema zu machen, schien uns aus zwei Gründen interessant: Zum einen wollen wir dazu beitragen, die bisher marginalisierten Theorien afrikanischer Philosophen und Philosophinnen mehr ins Zentrum der weltphilosophischen Debatten zu rücken. Zum anderen scheint uns das Projekt einer Konsensethik viele fruchtbare Ansatzpunkte zu bieten, die es in einem interkulturellen Polylog weiterzudenken gilt, und zwar unter dem Gesichtspunkt einer universalgültigen Ethik ebenso wie unter dem Aspekt der Lösung regionaler Konflikte. Die Diskussion des Ansatzes durch die verschiedenen Autoren und Autorinnen dieser Nummer weist dazu erste Wege zum Weiterdenken auf.

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  Kwasi Wiredus Projekt einer Konsensethik ist für die gegenwärtigen Hauptströmungen in den Diskussionen der Philosophen und Philosophinnen dieses Kontinents insofern repräsentativ, als hier in sehr fruchtbarer Weise die Ergebnisse der Debatte um die Frage nach der Existenz einer afrikanischen Philosophie beziehungsweise nach dem Afrikanischen an der afrikanischen Philosophie Eingang gefunden haben. Diese Debatte, die auch als Debatte zwischen Ethnophilosophen und akademischen Philosophen und Philosophinnen bezeichnet wird, stand ganz im Zeichen der Überwindung gängiger Stereotype von der Unfähigkeit des Afrikaners zu philosophischem Denken und der Suche nach einer eigenen selbstbestimmten Identität nach den Erfahrungen des Rassismus, Kolonialismus und Neokolonialismus. Die Philosophie in Afrika der letzten 30 Jahre wurde durch diese Debatte ganz wesentlich geprägt und hat heute ein Fundament geschaffen, auf dem selbstbewußt und frei sowohl unter Berücksichtigung der spezifischen historischen, sozialen und kulturellen Bedingungen des Kontinents, wie auch unter selbstverständlichem Rückgriff auf die Traditionen anderer Kontinente philosophiert werden kann.

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  Der Ansatz von Kwasi Wiredu ist über solche Grundlagendebatten längst hinaus. In seinem Philosophieren bezieht er sich kritisch sowohl auf afrikanische Traditionen und Weltanschauungen als auch auf die europäische Tradition des Philosophierens, um Lösungen für gegenwärtige Probleme der afrikanischen Länder zu finden. In kritischer Distanz sowohl zu afrikanischen Traditionen und Denkansätzen wie auch zu europäischen Philosophien entzieht sich Wiredu den beiden Extrempositionen der vorangegangenen Debatten und versucht, in einer Synthese neue Denkansätze zu schöpfen. (Die Position der Ethnophilosophen bestand darin, zu den Wurzeln vorkolonialen afrikanischen Denkens zurückzukehren und somit eine unverfälschte afrikanische Authentizität wiederherzustellen; die der akademischen Philosophen darin, die afrikanische Tradition als für heutiges Denken und Philosophieren irrelevant abzutun.)

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  An Wiredus Projekt mag zudem deutlich werden, daß "afrikanische" Philosophie nichts mit Exotik, Mythen und Ritualen zu tun hat, wie häufig noch assoziiert wird, sondern daß es sich dabei vielfach um sehr politische und sozial engagierte Philosophien handelt, die versuchen, sich den brisanten Problemen eines sehr heterogenen Kontinents mit einer schwierigen kolonialen und neokolonialen Vergangenheit und der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Situation zu stellen. Eine solche engagierte Philosophie, die sich den ganz unmittelbaren Problemen des heutigen Lebens stellt, ist auch für andere (soziohistorische, politische) Kontexte sehr anregend.

Anke Graneß



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