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Frau und Kultur – Kolonisierung von Differenz

Vinda Ekwueme, Emma Ferreira Prado, Newal Gültekin und Ida Kurth im Gespräch mit Nausikaa Schirilla




Der Beitrag erschien zuerst in:

polylog: Austrian print edition
Nr. 4 (1999) zum Thema:
Kolonisierung von Differenz

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  Schirilla: Wir haben bei vielen Seminaren und Tagungen an der Universität Frankfurt immer wieder über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Frauenbewegungen oder feministisch orientierten Frauen in den Ländern des Nordens und Südens diskutiert. Jetzt sind hier Frauen aus vier verschiedenen Ländern vertreten. An unsere Diskussionen anknüpfend möchte ich zunächst fragen: Was sind Eurer Meinung nach die wichtigsten Forderungen von Frauenbewegungen oder feministisch orientierten Frauen in Euren Herkunftsländern?


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  Ferreira: In Kolumbien herrscht der Machismo: das bedeutet, Männer haben viel Macht, besonders in der Politik und in allen Bereichen der Gesellschaft – und die Frauen leiden darunter. Was die Frauen betrifft, so gibt es in Kolumbien zwei Arten von Bewegungen, die einen sind eher feminine movements, also soziale Bewegungen von Frauen, die nicht für die gleichen Rechte wie die Männer kämpfen, sondern die sich zusammenschließen, um ein Ziel zu erreichen, beispielsweise brauchen sie Wasser in einem Barrio, Kinderbetreuung oder etwas ähnliches. Sie verstehen sich durchaus politisch. So haben wir momentan auf diese Weise auch eine starke Partizipation in der Friedensbewegung, es gibt viele Frauen, deren Männer, Söhne etc. von den verschiedenen Kriegsparteien entführt worden sind und die für ihre Freilassung kämpfen. In Kolumbien herrscht seit 40 Jahren Krieg, seit 1996 ist es noch schlimmer geworden, 35.000 Männer, kaum Frauen sind ermordet worden, viele Frauen sind jetzt alleine ohne Väter, Söhne, Männer. Diese Art von politischen Organisationen gibt es vor allem in den Unter- und Mittelschichten, weniger in der Oberschicht.




Vinda Ekwueme
Germanistin und Erziehungs-
wissenschaftlerin

Nigeria


Emma Ferreira Prado
Sprachwissenschaftlerin und Lehrerin
Kolumbien


Newal Gültekin
Soziologin
Türkei


Ida Kurth
Biochemikerin
Indien



Das Gespräch fand in Frankfurt am Main statt.

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  Die feministische Bewegung ist vor allem eine Oberschichtsbewegung, es sind Frauen, die an internationalen Schulen waren oder in den USA oder Europa studiert haben. Man muß auch sehen, daß diese Frauen privilegiert sind, fast alle haben beispielsweise ein Dienstmädchen aus einer anderen sozialen Schicht zu Hause.

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  Kolumbien hat eine starke feministische Tradition, in Kolumbien fand Anfang der achtziger Jahre der erste feministische Kongreß für Lateinamerika und den karibischen Raum statt. Eine wichtige Forderung ist sexuelle Selbstbestimmung, die feministischen Frauen haben es geschafft, direkt und ohne Hemmungen über Verhütungsmittel u.ä. zu reden. Sie haben sich einen Platz in der Politik erobert, das war schwer genug.


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  Ekwueme: Die Forderungen von Frauenorganisationen in Nigeria sind vor allem wirtschaftlicher Natur, besonders durch die wirtschaftlichen Probleme seit den 80er Jahren. Schon in der Vergangenheit hat es in Nigeria Frauengruppen gegeben, die ihren Ursprung in Nigeria haben und nicht in westlichen Ideen. Es gab zum Beispiel die Tradition, daß sich Frauen innerhalb einer Großfamilie zusammenschlossen und anläßlich einer Heirat oder Beerdigung Beiträge sammelten, Essen brachten und es gemeinsam kochten. Es gab auch Marktfrauen, die sich zusammengeschlossen haben, zum Beispiel die Fischverkäuferinnen oder Kartoffelverkäuferinnen haben genossenschaftsähnliche Vereinigungen gegründet, gemeinsame Märkte organisiert usw. Das hat einen Beitrag zur Entwicklung der Frauensolidarität geleistet. Es gibt auch traditionelle Zeremonien, in denen Frauen eine Rolle spielen. Dies ist die Wurzel von Frauenbewegungen in Nigeria.

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  Aber nach dem Beginn der wirtschaftlichen Probleme in den 80er Jahren haben sich die Frauen vor allem im wirtschaftlichen Bereich organisiert, haben sich gegenseitig geholfen im Auftreiben von Krediten. So hat die Regierung weiter nichts unternommen, mit dem Argument, daß sich diese Menschen ohnehin selbst organisieren. Internationale Organisationen haben ähnlich reagiert.



»Es gibt viele Ungerechtigkeiten, aber sie werden als Tradition verteidigt.«

Vinda Ekwueme

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  Es gibt aber auch andere Frauengruppen, die eher für die Frauenrechte kämpfen, beispielsweise WIN, Women in Nigeria, die für die politische und soziale Gleichheit von Frauen kämpfen. Aber die haben viele Probleme, sie kämpfen gegen bestimmte Traditionen, und die Männer wollen diese nicht ändern. Es gibt viele Ungerechtigkeiten, aber sie werden als Tradition verteidigt. Daher ist diese Gruppe von der Regierung, von den Islamisten und anderen Männern sehr stark unterdrückt worden.


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  Kurth: Unter Feminismus verstehe ich die Befreiung von einer patriarchalischen Gesellschaft. Feminismus ist sehr vielfältig. Wenn man auf Indien schaut, sieht man, wie heterogen er ist. Hier gibt es viele verschiedene Feminismen, der Feminismus einer Frau mit Universitätsabschluß ist anders als der einer Frau vom Land. Ich möchte aber beides als Feminismus bezeichnen.

»Feminismus ist sehr vielfältig. Wenn man auf Indien schaut, sieht man, wie heterogen er ist.«

Ida Kurth

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  Bei uns ist die Rollenverteilung für die Frauen sehr stark und bedeutsam. Eine wichtige Forderung war die Auflehnung gegen diese Rollen und damit gegen die patriarchale Gesellschaft. Frauen haben die Rolle der "Weicheren" zugewiesen bekommen, Männer die Rolle der Herrschaft in der "großen weiten Welt". Diese Rollen sind aber nicht geändert worden, auch wenn Frauen bessere Bildung usw. haben. Das ist bei uns genauso wie in den europäischen Ländern. Frauen haben gewisse Erfolge, bessere Bildung, etwas mehr Einkommen, aber sie haben keine Veränderungen der Machtstrukturen bewirkt. Sie haben keine Macht. Dies gilt für Indien wie für Deutschland.

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  Ich möchte ein Beispiel für die Vielfalt der Frauenbewegung geben: In Goa hat die Regierung ausländische Investoren sehr gefördert, eine Tourismusindustrie aufzuziehen, ohne dafür die ökologischen oder infrastrukturellen Rahmenbedingungen zu schaffen. So sind massenhaft Hotels gebaut worden, die goasche Gesellschaft hat das zuerst auf sich zukommen lassen. Dann aber haben Frauen bemerkt, daß die Kokospalmen gelb wurden, eben die Frauen, weil sie für Nahrungsorganisation und -aufbereitung zuständig sind. Sie haben eine Petition an die Regierung gerichtet, in der sie auf die zerstörerischen Folgen dieser Tourismusindustrie hingewiesen haben. Diese Bewegung kam aus dem dörflichen Bereich. Danach haben gebildete Frauen das aufgegriffen, aber sie agierten dann auf einer anderen Ebene. Die Frauen aus dem Dorf gingen zum Flugplatz und forderten die Touristen auf, nicht nach Goa zu gehen, der Tourismus richte viel Schaden an und bringe wenig ökonomischen Gewinn.


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  Gültekin: Die Frauenbewegung in der Türkei hat sehr viel um gesetzliche Veränderungen gekämpft, im Bereich des Familienrechts, Eherechts und Strafrechts. Zentral war auch das Thema Gewalt in der Familie, das öffentlich thematisiert worden ist, und es ging darum, Räume zu schaffen, wo Frauen Zuflucht finden können. Viele Frauen haben sich dann aber auch zu Menschenrechtsfragen engagiert.


»Für Kolumbien ist wichtig, daß der Krieg die Frauen anders betrifft als die Männer.«

Emma Ferreira Prado

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  Schirilla: Was seht Ihr denn als wichtigen Unterschied zur Frauenbewegung hier?


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  Ferreira: Es gibt viele Unterschiede in der Situation von Frauen, die Erziehung ist schon anders bei uns. Das Muttersein ist sehr wichtig, selbst wenn Frauen aus den Unterschichten arbeiten müssen oder Frauen aus der Oberschicht arbeiten dürfen, so ist es doch sehr wichtig, daß sie es sind, die die Kinder versorgen. Außerdem sind bei uns die Bereiche der Männer und der Frauen viel stärker getrennt als hier.

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  Für Kolumbien ist wichtig, daß der Krieg die Frauen anders betrifft als die Männer und daß Frauen sich in diesem Kontext sehr eingesetzt haben. Es gibt bei uns in vielen Städten Bürgermeisterinnen, weltweit bekannte Bürgermeisterinnen, die sich sehr für den Friedensprozeß engagiert haben. Frauen werden nicht so ermordet wie Männer, es gibt einen gewissen Respekt vor den Frauen – das ist die andere Seite des Machismo, daher waren viele Frauen sehr aktiv im Friedensprozeß und haben große Bewegungen ins Leben gerufen.


»Die Tatsache, daß der Frau ein Raum von der Gesellschaft zugewiesen wird, bedeutet zwar einerseits eine Einschränkung auf diesen Raum, andererseits aber ist in diesem Raum die Frau frei und hat Macht. Sie agiert aus einer Stärke heraus.«

Ida Kurth

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  Ekwueme: Bei uns ist die Unterdrückung ganz anders, es gibt viele rechtliche Einschränkungen unter dem Deckmantel der Tradition. So erben Witwen beispielsweise nichts, der ganze Besitz geht an die Familie des Mannes und sie bekommen keine Unterstützung. Oder es werden ganz junge Mädchen mit dem Einverständnis der Familie an alte, reiche Männer verheiratet. WIN hat ein junges Mädchen vor Gericht vertreten, das das nicht wollte, und es hat ein Stipendium bekommen zur Fortsetzung der Schule.


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  Kurth: Ich finde, daß der Feminismus bei uns sehr viel spontaner ist, der deutsche Feminismus ist so überorganisiert und vorausschauend wie die deutsche Gesellschaft. Bei uns ist das lebendiger und sehr spontan, deswegen ist es eine Bewegung, da wo "der Schuh drückt". Frauen wehren sich gegen die Rollenzuweisungen. Sie wollen aber nicht die in diesen Rollen enthaltene Verantwortung aufgeben. Sie möchten ihre Rolle anders gestalten, sie wollen nicht daran zugrundegehen. Ich möchte ein anderes Beispiel aus Bombay geben, auch eine sehr heterogene Gesellschaft. Es gibt Frauen, die sich sehr gut mit Kräutern und pflanzlichen Heilmitteln auskennen. Sie versuchen, diese zu besorgen, wie auch billiges Gemüse und verkaufen das weiter in der Stadtmitte. Gebildete Frauen haben die Sachen gekauft. Nun wollte die Stadtverwaltung diesen kleinen Markt mit vielen verschiedenen Frauen auflösen und ein Hochhaus an dieser Stelle bauen. Da sind die Frauen en masse durch die Straßen gelaufen und haben protestiert, es gab einen großen Marsch in die Innenstadt, der Verkehr kam zum Erliegen. Jeder hat natürlich gefragt, was da los ist, die Presse hat berichtet, die Parteien haben Stellung bezogen, der Markt ist erhalten geblieben.

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  Diese Organisierung hat auch damit zu, daß die Frauen durch die Rollenverteilung, die sie innehaben, viel kollektiv machen und zusammen sind. Sie sind nicht so auseinanderdividiert wie in den westlichen Gesellschaften. Die arrangierten Ehen haben viele Nachteile, aber sie führen auch dazu, daß Frauen nicht immer auf der Jagd nach dem Mann sind. Dadurch gibt es eine besserer Frauensolidarität. Natürlich nützt die Rollenverteilung den Männern und wird von der Regierung verstärkt. Das kritisiere ich. Aber die Tatsache, daß so der Frau ein Raum von der Gesellschaft zugewiesen wird, bedeutet zwar einerseits eine Einschränkung auf diesen Raum, andererseits aber ist in diesem Raum die Frau frei und hat Macht. Sie agiert aus einer Stärke heraus.


»Ich wehre mich dagegen, daß ein einziges Modell von Emanzipation als korrekt ausgegeben und als richtig präsentiert wird.«

Newal Gültekin

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  Gültekin: Ich bin mit zwanzig hierher gekommen und habe die Frauenbewegung hier erlebt. Ich habe mich sehr damit identifiziert und viel übernommen. Ich habe mit den abwertenden Augen der Deutschen auf die türkischen Frauen geschaut und erst später, im Zuge der stärkeren Besinnung auf mich selbst, einen Perspektivenwechsel vollzogen. Ich wehre mich dagegen, daß ein einziges Modell von Emanzipation als korrekt ausgegeben und als richtig präsentiert wird. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Türkei und türkische Frauen hier, sondern es gilt auch für deutsche Frauen, es gibt viele Unterschiede, die schichtspezifischer Natur sind. Beispielsweise mögen sich viele deutsche Frauen im Vergleich zu ihren türkischen Nachbarinnen emanzipiert vorkommen, aber mit dem Modell, das Feministinnen hier entwerfen, hat ihre Lebensweise gar nichts zu tun.


 

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  Schirilla: Dies führt uns zur nächsten Frage, es gibt eine starke Kritik an westlichen Feministinnen, daß diese implizit oder explizit vorschreiben, welche Probleme Frauen in anderen Gesellschaften zu haben haben, daß sie ihren Emanzipationsbegriff anderen überstülpen. Was meint Ihr dazu?


»Ich kann ein Baby haben und nach drei Tagen wieder etwas machen, weil immer jemand da ist, der das Kind nimmt, zum Beispiel aus der Verwandtschaft.«

Vinda Ekwueme

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  Ekwueme: Es gibt eine starke Kritik an westlichen Feministinnen, als wollten sie die Macht der Männer an sich reißen, nur kämpfen und ihre Rolle in der Gesellschaft nicht mehr übernehmen: Kinder, Haushalt. Bei uns muß die Frau das alles machen, Männer machen so etwas nicht. Die Männer begründen das auch mit der Tradition. In diesem Sinne sind Männer gegen westliche Bewegungen. Aber wenn Frauen die Strukturen nicht angreifen und sagen, wir wollen nur wirtschaftliche Verbesserungen, dann sagen sie, o ja, das ist gut, wir unterstützen Euch.

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  Die Frauen hier haben so viel zu tun und sie haben niemand, der ihnen hilft, ich hätte Hilfe, wenn ich in Nigeria leben würde. Diese Doppelbelastung mit Kindern, Haushalt und Arbeit ist ein Problem deutscher Frauen. Daher ist es hier sinnvoll, wenn der Mann mithilft.

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  Bei uns ist das anders. Westliche Frauen kritisieren deswegen unsere Männer, aber die Männer sagen, die Frauen sind doch frei, sie können arbeiten und sie haben doch wirtschaftliche Macht. Und so ist es ja, ich kann ein Baby haben und nach drei Tagen wieder etwas machen, weil immer jemand da ist, der das Kind nimmt, zum Beispiel aus der Verwandtschaft.

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  Die wirklichen Probleme sind anderer Art, zum Beispiel das Erbrecht für Witwen. Aber das ist ein allmählicher Prozeß.


»Diese Problematik ist universell, jede Frau löst das für sich selbst individuell, abhängig von ihren Umständen.«

Newal Gültekin

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  Gültekin: Es gibt nicht nur ein Modell von Emanzipation. Es gibt unterschiedliche Selbstverständnisse je nach Gesellschaft und Schichtenzugehörigkeit. Ich bin der Meinung, daß Menschen beziehungsweise Frauen in unterschiedlichsten Lebensbedingungen und in unterschiedlichsten materiellen Bedingungen Voraussetzungen für sich schaffen können sollen, eine höchstmögliche Handlungsautonomie zu erlangen. Die konkrete Realisierung von Emanzipation ist abhängig von den gesetzlichen Möglichkeiten, von Arbeitsmarktbedingungen und von der sozialen Infrastruktur. Unter diesen Bedingungen gestalten sich Lebenskonzepte, bei denen versucht wird, eine emotional und intellektuell befriedigende Beziehung zum Partner zu leben, eine entsprechende Beziehung zum Kinde zu haben und Selbstverwirklichung auch auf materieller Ebene in einer Arbeit zu realisieren. Diese Problematik ist universell, jede Frau löst das für sich selbst individuell, abhängig von ihren Umständen. Dies gilt genauso für die türkischen Frauen. Auch sie kämpfen ständig, verhandeln und diskutieren in diesem Sinne, egal welcher Religion oder Tradition sie angehören. Das konnte ich bei meinen Interviews immer wieder feststellen.


»Westliche Feministinnen denken, ihre Wahrheit sei die einzige, die universale.«

Emma Ferreira Prado

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  Ferreira: Das Problem war, daß Feministinnen überall in der Welt ihre eigenen Probleme als universal dargestellt haben. In Mexiko gab es beispielsweise 1975 eine große Debatte darüber, als Domitila aus Bolivien, die heute ganz berühmt ist, sprechen wollte. Das wurde von Feministinnen wie Betty Friedman abgelehnt, die über sexuelle Selbstbestimmung etc. reden wollte.

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  Das Problem, das ich sehe, ist, daß es unserem Land eine Dichotomie zwischen feministischer Bewegung und feminine movements gibt. Wir lateinamerikanischen Frauen fühlen, daß es viel Neokolonialismus gibt. Westliche Feministinnen denken, ihre Wahrheit sei die einzige, die universale. Wir haben nicht die gleichen Probleme, wir sind anders erzogen, die Realität ist anders. Gleiche Rechte stehen nicht im Vordergrund. Eher geht es darum, die Grundbedürfnisse der Frauen zu befriedigen; Wasser, Essen und jetzt Frieden. Die Probleme der Frauen sind auch schichtenspezifisch verschieden. Diese Dichotomie muß überwunden werden, es muß Vermittlungsschritte geben, der Frieden ist so ein Vermittlungselement.

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  Das Problem ist aber auch, daß wir in Kolumbien diese neokolonialen Muster wiederholen. Das, was wir an den Europäern kritisieren, das praktizieren wir auch mit den Frauen der niedrigen sozialen Schichten. Unterdrückung gibt es auch bei uns. Manchmal sind wir da nicht kritisch. Es gibt die Beziehung Nord-Süd. Wir wiederholen sie im eigenen Land, in verschiedenen Kontexten.


 

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  Kurth: Ich bin in dieser Frage sehr gespalten. Der westliche Feminismus war sehr wichtig für Indien, die Frauen haben dadurch einen Antrieb bekommen, sie haben dann angefangen, sich Gedanken zu machen. Dies wirkte wie eine Beschleunigung. Andererseits ist die Auseinandersetzung mit Indien sehr engstirnig und kurzsichtig. Die indische Gesellschaft ist sehr kompliziert und auch schwer zugänglich. Was mich ärgert ist, daß ein paar Sachen herausgepickt und aufgebauscht werden. Wir unterliegen einer Diktatur der Medien, diese bringen Berichte über Frauenunterdrückung in Indien mit einem Hauch von Erotik.

Nausikaa Schirilla lehrt am Institut für Pädagogik der Goethe-Universität Frankfurt/M.

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  Hier sind Frauen ausgerichtet auf feministische Forderungen, aber sie haben untergeordnete und schlecht bezahlte Jobs wie Erzieherin und Krankenschwester. In Indien ist das anders durch die Rollenverteilung, beispielsweise die Milchfrauen. Nur sie verkaufen die Milch, nur sie bekommen das Geld, nur sie wissen, wie sie die Milch noch weiterverarbeiten können, wie sie sie konservieren usw. Das wissen die Männer nicht. Dieses Wissen ist auch eine Macht. Was für eine Macht haben Krankenschwestern, Sekretärinnen? Sie nehmen Befehle entgegen. Es geht auch darum, neue Bereiche zu erobern.

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  Das Problem hier ist oft die mangelnde Beschäftigung mit sich selbst. Statt dessen schauen viele Feministinnen immer auf die unterdrückten Anderen. Sie sollten mehr auf sich selber schauen.



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